Was motiviert uns zu nachhaltigem Handeln?

Wer nachhaltig handelt, muss mit einem positiven Gefühl belohnt werden. Sonst wird er sein Verhalten nicht ändern. Das ist eine Quintessenz von Umweltpsychologe Prof. Dr. Marcel Hunecke in seinem Buch „Psychologie der Nachhaltigkeit“. Die Kluft zwischen Wissen und Umsetzung sei groß. Wir sprachen mit dem Buchautor darüber, was nachhaltig denkende Menschen letztendlich zum Handeln motivieren kann.

Sie sind Umweltpsychologe und haben das Buch „Psychologie der Nachhaltigkeit“ geschrieben. Warum?

Marcel Hunecke:  Weil es keine Alternative zum nachhaltigen Handeln gibt. Und weil wir uns mit der Psychologie beschäftigen müssen, wenn nachhaltiges Handeln verstärkt werden soll. Zum einen mit der Umweltpsychologie, aber auch mit der Positiven Psychologie. Hier geht es um subjektives Wohlbefinden, Zufriedenheit und Glück. Bei vielen Menschen gibt es eine Kluft zwischen Einstellung und Verhalten. Sie wissen zwar, was nachhaltig ist, aber sie handeln nicht immer so.

Und welche Rolle spielt die Umweltpsychologie?

Marcel Hunecke:  Hier geht es um die Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt. Dabei kann man den Menschen in den Fokus rücken: Man betrachtet, welchen Belastungen er durch Lärm ausgesetzt ist oder wie Architektur auf ihn wirkt. In den 1980er-Jahren begann man die Wirkung des Menschen auf die Umwelt zu untersuchen. Daraus entstand die Umweltschutzpsychologie: Wie kann man den Menschen dazu motivieren, seine Umwelt zu bewahren? Nachhaltigkeit ist ein weiterer Begriff, der sich dazugesellt hat.

Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit?

Marcel Hunecke:  Die Grundidee von Nachhaltigkeit: Wir sollen die Lebensgrundlagen der nachfolgenden Generationen nicht schon gegenwärtig verbrauchen. Häufig wird Nachhaltigkeit allerdings mit Dauerhaftigkeit verwechselt. Aber es ist viel komplizierter, weil wir den Ressourcenverbrauch minimieren sollten. Die Herausforderung liegt dabei in der alltäglichen Umsetzung.

Nachhaltiges Handeln – Hygge Web

Hygge

In Dänemark wird mit diesem Begriff ein ganzes Lebensgefühl umschrieben. Der Glücksforscher Meik Wiking hat darüber ein Buch geschrieben („Hygge“). Hier umschreibt er mit diesem Begriff das Glück der kleinen Dinge: Gemütlichkeit, Zeit mit anderen Menschen, gutes Essen, Sachen selbst machen oder auch ganz einfach die Natur genießen. Die einfachen Dinge des Lebens lassen Hygge entstehen.

Marcel Hunecke: „Es gilt keine Zeit zu verschwenden, wir müssen unser Leben nachhaltig ausrichten. Die Dringlichkeit für mehr Nachhaltigkeit ist ganz klar gegeben.“

Nachhaltiges Handeln – Umweltpsychologe Prof. Dr. Marcel Hunecke
Nachhaltiges Handeln – WWoofing

Wwoofing

WWOOF steht für „World-Wide Opportunities on Organic Farms“. Das weltweite Netzwerk ermöglicht es Menschen, auf Bio-Bauernhöfen mitzuhelfen und so mehr darüber zu erfahren, wie Lebensmittel angebaut werden.

Sich nachhaltig zu verhalten, ist den Menschen nicht gerade angeboren…

Marcel Hunecke:  Richtig. Deshalb müssen wir den Menschen die Gefahr eines nicht nachhaltigen Lebens deutlich machen: Man setzt auf Information und appelliert an die Vernunft. Aber aus der Psychologie wissen wir auch, dass das für den Moment sehr beeindruckt, dann aber schnell vergessen und sogar geleugnet wird. Oder wir bauen in unserer Gesellschaft alles ökonomisch so um, dass wir bei nachhaltigem Verhalten individuell profitieren. Ein Beispiel ist die Energiewende: Wenn ich mir eine Solaranlage aufs Dach stelle, kann ich auch noch Geld verdienen. An diesem Weg sollten wir festhalten. Aber er wird nicht ausreichen.

Und was heißt das nun?

Marcel Hunecke:  Wir können Menschen nur zur Veränderung ihres Lebensstils motivieren, wenn sie damit ihr subjektives Wohlbefinden am besten noch steigern können.

Die großen Argumente gegen einen nachhaltigen Lebensstil lauten ja: Es wird anstrengender, teurer und es ist immer mit Verzicht verbunden. Da zu sagen: Hey, in bestimmten Bereichen müssen wir zwar verzichten, gerade auf der materiellen Ebene, aber wir kriegen dadurch eine Steigerung des subjektiven Wohlbefindens hin – das ist ein guter Ansatz! Letztendlich müssen wir versuchen, alle Wege zu kombinieren.

Nachhaltiges Handeln – Bhutan Web

Bruttonationalglück

Das Land Bhutan in Südasien hat den Begriff Wohlstand für sich neu definiert: Statt des Bruttoinlandsproduktes steht das „Bruttonationalglück“ im Fokus. Dabei wird versucht, neben wirtschaftlichen Kennzahlen auch Faktoren wie das Wohlbefinden der Menschen und der Natur zu berücksichtigen.

Wie motiviert man Menschen zu nachhaltigem Handeln? – Umweltpsychologe Prof. Dr. Marcel Hunecke

„Eine der neuen großen kulturellen Herausforderungen besteht nun nicht mehr darin, Mangelerfahrungen durch ein Mehr zu beseitigen. Wir sind an dem Punkt, dass wir das dauernde Zuviel begrenzen müssen – und nicht nur bei materiellen Dingen, sondern auch bei unserem zu großen Info- und Entertainment-Strom.“

Können wir unser Wohlbefinden durch nachhaltiges Leben steigern? Und falls ja: wie?

Marcel Hunecke:  Wir brauchen für mehr Nachhaltigkeit die positiven Emotionen. Genuss ist ein Bereich, der sich mit Nachhaltigkeit koppeln lässt. Ernährung ist hier ein gutes Beispiel: Nachhaltige Lebensmittel können Genuss versprechen. Die regionalen Lebensmittel schmecken besser, weil sie frischer sind und keinen weiten Weg zurücklegen müssen – und sie sind gleichzeitig nachhaltiger. Die Menschen kaufen also regionale Lebensmittel, weil sie so auch positive Erfahrungen machen können.

Das heißt, unser Konsumverhalten bestimmt unser Glück?

Marcel Hunecke:  Wir sind längst bei der Erkenntnis angelangt, dass stetiges Wachstum im materiellen Bereich nicht zu mehr subjektivem Wohlbefinden führt. Das ist Positive Psychologie: Ich stärke Ressourcen in mir, die in mir positive Emotionen auslösen und die gleichzeitig mit Nachhaltigkeit kombinierbar sind. Das ist auch Kern meines Buches.

Welche Ressourcen tragen wir in uns?

Marcel Hunecke:  Genussfähigkeit, Selbstakzeptanz, Selbstwirksamkeit, Achtsamkeit, Sinnkonstruktion und Solidarität. Genussfähigkeit und Achtsamkeit sind entscheidende Ressourcen, wenn es um die Steigerung nachhaltigen Verhaltens geht.

Und wie kann ich diese Ressourcen stärken?

Marcel Hunecke:  Sie könnten zum Beispiel ein Genusstraining absolvieren, sich Genusszonen im Alltag schaffen. Genießen braucht auch Zeit. Manchmal ist weniger auch mehr. Man muss nicht jeden Tag Fleisch essen. Aber wenn jemand Lust auf ein Steak hat, sollte er sich für eine gute Qualität entscheiden und diese ganz bewusst genießen.

Nachhaltiges Handeln –

Social Business

Dieses wirtschaftliche Konzept geht auf Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus zurück. Die Idee: Unternehmen nehmen sich mehr und mehr der Lösung sozialer und ökologischer Herausforderungen an. In Deutschland ist das Unternehmen manomama ein Beispiel für ein Social Business. 

Slow Food

Slow Food steht für genussvolles, bewusstes und regionales Essen. Die Initiative entstand 1986 in Italien als Gegenbewegung zum uniformen und globalisierten Fast Food. Auch in Deutschland gibt es heute zahlreiche Slow Food Convivien. Das sind regionale Gruppen, die Produzierende, den Handel sowie Verbraucherinnen und Verbraucher miteinander in Kontakt bringen und Wissen über die Qualität von Nahrungsmitteln vermitteln.

Nachhaltiges Handeln – Slow Food

WEITERE BEITRÄGE